Die Malt Mariners Distillery Reviews sind kleine Reiseberichte, die sich speziell mit dem Besuch unserer geliebten Whisky Brennereien befassen. Bitte beachtet hierbei, dass es sich um Eindrücke einer Einzelperson handelt. Die Einblicke sind subjektive Momentaufnahmen und sollten als solche verstanden werden. Viel Spaß!
Distillery
Review 5: Warenghem
Warenghem? Nie gehört? Nicht verwunderlich, sucht man doch in der meisten Whisky-Literatur vergeblich nach ihr. Um so mehr freuen wir uns, die Möglichkeit zu haben Euch von unserem Besuch zu berichten. Und so gebührt der Brennerei Warenghem die Ehre als
erste nicht-schottische Brennerei in die Malt Mariners Distillery Reviews
eingereiht zu werden. Warenghem liegt
im bretonischen Küstenstädtchen Lannion („Lannuon“ im Bretonischen) im Herzen
der Bretagne. Da wir vom Scotch wissen, dass Whisky ein sonniger Spiegel seiner
kulturellen Umgebung ist, halte ich es für angebracht, etwas auszuholen und ein
paar Worte zur Region und den Menschen zu verlieren. Die Bretonen lassen sich
mit ihren keltischen Wurzeln ungern zu den Franzosen zählen und lassen an ihrem
Regionalpatriotismus keinen Zweifel. Bei uns ist die Bretagne den meisten
vermutlich durch Asterix und Obelix bekannt und so ganz abwegig ist dieses
Klischee der widerspenstigen aber herzlichen Gallier auch nicht.
Die Landschaft
erscheint wie eine bizarre Mischung aus schottischen Heidemooren, und rauen
Nordseeabschnitten, gepaart mit französischem Flair. Die Landschaft und die
Küstenstädte sind atemberaubend schön und in den Ortschaften kuscheln sich Fischrestaurants
(Austern!), Crêperien und Souvenirläden (in denen die Bretonen selbst gerne
einkaufen ;) aneinander. Die bretonische Küche wird dominiert von Fisch, Crêpe,
Galette (Crêpe aus Buchweizen, meist mit Käse, Ei, Schinken oder allem),
Fleisch und Süßspeisen. Gefühlte Hauptbestandteile sind daher Butter und Zucker
^^.
Whisky ist bei den Bretonen leider (noch) nicht häufig anzutreffen,
wenngleich viele Souvenirläden einige wenige bretonische Whiskies führen.
Nationalgetränk der Bretonen ist (und bleibt vermutlich) der Cidre, ein
leichter Apfelschaumwein. Wie es den Galliern aber eigen ist, kämpft eine
kleine tapfere Brennerei um die Produktion und Verbreitung von qualitativ
hochwertigem bretonischen Single Malt. Die Brennerei besteht bereits seit
mehreren Generationen, hat aber erst 1994 begonnen Single Malt zu produzieren.
1998 erblickte der erste „Armorik“, wie sich der Single Malt nennt, das Licht
der Welt. Zuvor wurden
Kräuterschnäpse und Liköre produziert, was sich heute noch in der größeren
Auswahl an anderen Spirituosen wie Met und dergleichen widerspiegelt.
Wie bereits erwähnt liegt Warenghem noch im
Stadtgebiet von Lannion und ist daher vermutlich auch zu Fuß oder mit dem Bus
zu erreichen (wir waren mit dem Auto unterwegs). Äußerlich macht die Brennerei
nicht viel her und ist keine Touristenattraktion, wie manche schottische
Brennereien. Der brennereieigene Laden ist puristisch gehalten und stellt die
aktuelle Range der zu verkaufenden Getränke aus. Es gibt keine „klassischen“
Touren durch die Brennerei, die im Grunde nur aus einem großen Raum besteht.
Wer jedoch, wie wir, nett fragt bekommt sicherlich auch einen Blick in die
Brennerei und das Lagerhaus. Die nette Mitarbeiterin (die neben Englisch auch
noch Deutsch sprechen konnte!) nahm sich für uns extra Zeit und zeigte uns die
Pot Stills und die Lagerhäuser, die derzeit rund 4000 Fässer beherbergen. Die
Brennerei hat eine der letzten bretonischen Böttchereien in Douranenez an der
Hand, die eigens für die Brennerei frische Eichenfässer herstellt. Diese finden teilweise Verwendung bei den Single Malts. Eine eigene Mälzerei hat die
Brennerei nicht, das gemälzte Getreide kommt daher aus Belgien.
Die Lagerhäuser sind bis an die Decke mit zum Teil stehenden Fässern gefüllt. Laut Aussage der Mitarbeiterin eignet sich das
bretonische Klima mit einer Temperaturschwankung von 10 Grad im Jahr gut zum
Reifen für Whisky. Die Reifung ist allerdings mit im Schnitt 2-3 Monaten
schneller unterwegs als in Schottland.
Das Single Malt-Aushängeschild der Brennerei
ist der „Armorik“ der mit Stolz den gallischen Namen der Bretagne auf der Brust
(bzw. der Flasche) trägt (Aremorica = gallische Name für die Bretagne). Derzeit
wartet die Brennerei mit vier unterschiedlichen Single Malt Abfüllungen auf.
Der Günstigste aus dem Sortiment, die „Edition Orginal“ ist bereits für um die
20 Euro zu haben und lässt für den Preis geschmacklich kaum Wünsche offen. Ein
wie ich finde sehr gelungener, frischer und fruchtiger Malt, den man leicht mit
einem der schottischen Verwandten verwechselt. Und das bei nur 4 Jahren im
Bourbon Fass! Der „Classic“ kommt mit einer 4 bis 8 jährigen Fassmischung von
60% Ex-Bourbonfässern und 40% Ex-Sherry Fässern daher. Ebenfalls sehr lecker!
Besonders überrascht hat mich der „Sherry Finshed“, der ebenfalls mit grade mal
4 Jahren eigentlich noch grün hinter der Ohren sein müsste, jedoch schon mit
einer tollen Frucht aufwarten kann. Der „Double Matured“ lag drei jahre in
extra für die Brennerei angefertigten bretonischen Eichenfässern, bevor er noch
weitere drei Jahre in Ex-Sherry Fässern wohnen durfte. Auch der hauseigene
Blend mit dem Namen „Breizh“ schmeckte mir hervorragend, wo ich ja sonst beim
Thema „Blended“ doch eher die Nase rümpfe. Mit einer 50-50 Mischung von Grain
und Malt Whisky muss sich dieser Blended nicht verstecken. Alles in Allem ein
solides Sortiment an spannenden Whiskies! Wir dürfen gespannt sein, was
Warenghem in den nächsten Jahren ins Rennen schicken wird. Meiner Meinung nach
ist diese Brennerei allemal einen Blick über den Tellerrand wert! Warenghem
zeigt mal wieder deutlich: Die inneren Werte zählen!
Fazit:
Warenghem ist eine junge Brennerei die sich jüngst auf den „Qualitätswhisky“
Betrieb eingestellt hat. Dies ist ihr unserer Meinung nach bereits gut gelungen
und lässt auf viel Gutes in der Zukunft hoffen! Die jungen Malts müssen sich
nicht verstecken und erreichen als (für meinen persönlichen Geschmack) erste
nicht-schottische Whiskies den Standard (oder Stil?) ihrer schottischen
Nachbarn. Die Brennerei selbst ist einen Besuch wert, wenn man höflich
nachfragt und sich rechtzeitig ankündigt. Ansonsten ist der Shop mit Sicherheit
auch für Freunde anderer leckerer Sünden eine große Freude. Wir hatten
jedenfalls unseren Spaß! Weiter so Warenghem!
Yec´hed mat!
Euer fellow Malt Mariner Leon
Fakten (Stand April 2015):
Eigentümer: Warenghem
Gegründet: 1900 (Whisky since 1994)
Produktionsvolumen pro Jahr: ?
Adresse: Route de Guingamp, Boutill, 22300 Lannion,
Frankreich
Aussprache: „Waren-gem“
Erreichbar: Zu Fuß, Bus, Auto
Link: http://www.distillerie-warenghem.com
Quellen:
- http://www.distillerie-warenghem.com
- Meine Erinnerung, Mein Whisky-Tagebuch, Meine Kamera ;)