Distillery Review 10: A new spirit
- Annandale, Eden Mill, Kingsbarns -
„Die Welt ist im Wandel, ich spüre es im Wasser,
ich spüre es in der Erde, ich rieche es in der Luft. Vieles was einst war, ist
verloren, da niemand mehr lebt, der sich erinnert.“ Die Herr-der-Ringe-Fans
unter euch erkennen dieses Zitat sicherlich wieder. Für uns Whisky-Freunde mag dies ebenfalls vertraut klingen. Wer hat nicht schon einmal auf seinen Reisen,
ob in Artikeln oder vor Ort, den zahllosen geschlossenen und eingemotteten
Brennereien vergangener Zeiten nachgetrauert? Doch was vergangen ist, ist
vergangen. Und das die Welt des Wasser des Lebens im Wandel ist, darf man denke
ich mit Fug und Recht behaupten. Vieles bewegt sich derzeit in und außerhalb
Schottlands. Die Whisky-Industrie hat sich in den 90ern und 2000ern beispiellos
erholt und feiert seit dem den anhaltenden Aufschwung. Seit einigen Jahren
sprießen daher auch mehr und mehr neue Brennereien aus dem Boden. Kilchoman,
Kavalan und Warenghem haben u.a. gezeigt, dass man auch mit jungem Single Malt
Erfolge feiern kann. Höchste Zeit für die Malz-Matrosen die Nase in die frische Briese zu halten, die uns entgegenweht. Setzen wir also die Segel Richtung
Neuland und legen das Augenmerk auf die jungen Sprösslinge der schottischen
Brennereien. Der Malt-Mariners-Whisky-Trail führte mich zu folgenden „Neuankömmlingen“,
die ich für euch unter die Lupe genommen habe:
Annandale Distillery
Lage: Council Dumfries &
Galloway (Lowlands)
Gründung: 2014
Brennblasen: 1 Wash Still, 2
Spirit Stills
Aktuelles Produktionsvolumen:
250.000 Liter pro Jahr
Distillery Manager: Malcolm
Rennies
Im Besitz von: Annandale
Distillery Company (unabhängig)
Eden Mill
Lage: Kingdom of Fife, St
Andrews
Gründung: 2012 (Bier), 2014
(Whisky)
Brennblasen: Mini Wash Still,
Mini Spirit Still
Aktuelles Produktionsvolumen:
sehr schwankend, daher keine Angaben (Kapazität dürfte bis zu 100.000 Liter im
Jahr gehen, liegt derzeit aber weit darunter)
Distillery Manager: Paul Miller
Im Besitz von: Eden Mill
(unabhängig)
Kingsbarns Distillery
Lage: Kingdom of Fife, St
Andrews
Gründung: 2015
Brennblasen: Eine Wash Still, eine Spirit Still
Aktuelles Produktionsvolumen: In Recherche
Distillery Manager: Peter
Holroyd
Im Besitz von: Wemyss
Interessant bei diesen drei neuen
Brennereien ist, dass alle den Lowlands zugeordnet werden können und bislang
auf Grund ihrer Jugend noch keinen selbstgebrannten Whisky in den Regalen
stehen haben. Das macht sie für mich zum idealen Vergleichsobjekt. Im Folgenden
werde ich euch diese Brennereien vorstellen und dabei das Augenmerk auf die
Kategorien Lage bzw. Erreichbarkeit, Besucherzentrum, Atmosphäre und last but
not least den zukünftigen Single Malt legen.
„Erreichbarkeit“
Die Annandale Distillery liegt
am Rande der Kleinstadt Annan im Council Dumfries & Galloway und ist vom
Ort aus in knappen 20 Minuten per pedes zu erreichen. Soweit so gut. Allerdings
ist Annan nicht grade das, was man als touristisches Kronjuwel bezeichnen
würde. Dumfries ist in dieser Region vermutlich die bessere Wahl und in ca. 30
Minuten seid ihr in Annan. In Dumfries warten etwa das Robert Burns Mausoleum
und andere Sehenswürdigkeiten auf euch. Ich kann hier die Camera Obscura
empfehlen.
Eden Mill liegt fünf Meilen vom
Stadtzentrum von St Andrews entfernt, einer bildhübschen studentisch-wuseligen
Kleinstadt direkt am Meer. St Andrews ist Golfer-Eldorado und als Universitätsstadt
bekannt. Wenngleich ich mit Golf nichts anfangen kann, muss ich gestehen, dass St
Andrews den Eindruck erweckt einen längern Aufenthalt wert zu sein. Ein Bus
bringt euch in knapp 15 Minuten zur Brennerei.
Ausblick vom Kingsbarns Car Park |
Kingsbarns liegt ca. 9 Meilen
außerhalb St Andrews in der entgegengesetzten Richtung zu Eden Mill. Es mag
sein, dass hierhin oder in die Nähe ein Bus fährt, sicher bin ich mir aber
nicht. Und selbst wenn, würde er deutlich länger brauchen. Die Lage in mitten
von Gerstenfeldern und Blick aufs Meer entschädigen dafür aber vollends.
Der erste Punkt in Sachen Erreichbarkeit
geht also an Eden Mill.
„Atmosphäre“
Diese Kategorie schließt für
mich den Gesamteindruck, den die Brennerei mit ihren Gebäuden, dem
Besucherzentrum und dem Internetauftritt erzeugt, ein.
Das erste Fass von Kingsbarns |
Beginnen wir hier mit Kingsbarns. Wie bereits erwähnt, ist die Lage der Brennerei gut gewählt. Vom
Besucherzentrum aus schaut man auf weite (in meinem Fall mal wieder
sonnengeflutete) Gerstenfelder. Vom Parkplatz aus ist sogar das Meer zu sehen.
Die Brennerei ist in Holz und Stein gehalten, mit architektonischen
Anspielungen auf ein Schloss. Das Besucherzentrum ist minimalistisch aber
ansprechend. Ein Korridor fürs Cafe, einer für den Shop, fertig. Kein
Schnickschnack, alles reduziert aufs Wesentliche. Die Tour beginnt mit einer
Art Mini-Museum, einer schönen Mischung aus Multimediaerlebnis und
Down-To-Earth-Information. Am Ende des Ganges tront das „Cask Number One“ in
einer Kammer auf einem Sockel wie ein Kronjuwel. Ich verneige mich in Demut für
den Verantwortlichen. Das kann sich wirklich sehen lassen.
Annandale Cafe & Besucherzentrum |
Die Annandale Brennerei ist
ebenfalls Touristenattraktion konzipiert, alles ist schick, sauber und neu. Für
meinen (persönlichen) Geschmack etwas zu schick, sauber und neu. Das Design der
Brennerei und des Besucherzentrums hat eine klare Linie mit viel geschliffenem
Holz, schwarzem Metall und dem Annandale-Lila, das sich zu Hauf auf der
Homepage findet. Hie und da blitzen schicke „Whiskygimmicks“ auf, wie etwa die
Lampen aus Fassdauben, oder der umfunktionierte Fassmülleimer. Das Pagodendach
der Brennerei ist reine Zierde, gedarrt und gemälzt wird außerhalb. Dazu mag
sich jeder seine eigene Meinung bilden. Es sieht für mich aber schöner aus, als
das angedeutete Schloss bei Kingsbarns, ist aber im Endeffekt ebenfalls reine
Kosmetik. Das Besucherzentrum legt hier den größeren Fokus auf das Cafe mit
einen gemütlichen Tischen mit Bänken, Sofas und sogar einer neumodischen
Feuerstelle.
Eden Mill Besucherzentrum |
Eden Mill kann auf Grund seines
rusikal-industriellen Charakters natürlich nicht mit den komplett neu
errichteten Brennereien mithalten. Es wird genutzt was bereits da ist und das
ist keine Augenweide. Derzeit gibt es einen großen Raum in dem das Besucherzentrum
eher provisorisch zusammengezimmert zuhause ist. Für manchen Malt-Maniac mag
dies jedoch sogar authentischer wirken, als die geleckten Brennereigebäude und
Besucherzentren. Aus touristischer Sicht bekommt man hier aber weniger geboten.
In dieser Kategorie einen
„Sieger“ zu küren fällt mir schwer. Annandale und Kingsbarns sind hier gleich
auf und der persönliche Geschmack entscheidet schlussendlich ohnehin. Ich würde
hier für Kingsbarns stimmen, dessen Tourbereich und Lage mich für sich
eingenommen haben.
„Kein Whisky? Was nun?“
Keine der drei genannten
Brennereien kann bislang mit eigenem Single Malt aufwarten. Damit stehen alle
vor dem gleichen Problem: Was kommt ins Glas der Gäste? Vom Geldbeutel der
Brennerei mal ganz abgesehen.
Eden Mill hat in Sachen
„einschenken“ vermutlich am wenigsten Schwierigkeiten, wurde das Projekt
schließlich als „micro-brewery“ gegründet und setzt daher nicht nur auf eine
Karte. Des Weiteren hat Eden Mill ein gutes Standbein in der Gin Produktion und
kann auf eine breite Palette von Gin Varianten zurückgreifen. Da ich als
sturköpfiger Malthead mit diesem Getränk auf Kriegsfuss stehe, war das für mich
natürlich kein Stein im Brett. Im Gegenteil. Meine VIP Tour (ein Geschenk), die
durch Kommunikationsschwierigkeiten eine „Gin Tour“ wurde versauerte mir den
Tag gewaltig. Gin interessiert mich wie gesagt nicht die Bohne ;). Neben dem
Gin gibt es ja glücklicherweise noch eine Reihe Craftbeer. Wo ich herkomme
(Franken), nennt man das „Bier“. Die spannende Variante bei Eden Mill
allerdings sind die Weinfass-gelagerten Biere. Aber am Ende sind wir ja wegen
des Whiskys hier. Auch hier lässt sich Eden Mill nicht lumpen. Der New Spirit
kommt gleich in drei Varianten daher, erzeugt durch unterschiedliche
Mälzprozesse und ist nach den großen schottischen Feiertagen benannt. Der „St Andrews
Day“ New Spirit wurde aus „dark crystal malt“ gebrannt.
Annandale löst das
Reife-Dilemma mit einem „Nations Of Scots“ Blended Scotch, einem Whisky der den
außerhalb der Heimat lebenden Schotten gewidmet ist. Ob den Landsleuten im
Ausland hiermit wirklich Ehre zu Teil wird, versehe ich mal mit einem
Fragezeichen. Mich hat der Blend nicht aus den Socken gehauen. Aber schließlich
geht es ja um den zukünftigen Single Malt. Der New Spirit der Annandale
Brennerei wird in
zwei Varianten im Shop als „Rascally Liquor“ (ich neige zur
Übersetzung „schelmischer Geist“, einfach weil sie mir gefällt :) dargeboten.
Die ungetorfte Variante trägt den Namen „King Of Words“ und ist dem
schottischen Nationalpoeten Robert Burns gewidmet, die getorfte Variante nennt
sich „King Of Swords“ und ehrt Robert the Bruce den „King of Scots“. Nachdem
ich bei Annandale glücklicherweise die Gelegenheit einer Manager Tour bekam,
konnte ich auch den jeweiligen halbjährig im Fass gereiften Spirit verkosten und
muss gestehen, dass hier durchaus angetan war. Ich bin gespannt auf die ersten
Abfüllungen von Annandale. Wie jede Whisky Brennerei haben
auch diese neuen Vertreter ihre Eigenheiten und Schwerpunkte.
Kingsbarns wartet mit nur
einem New Spirit auf der, wie bei allen Neulingen, im Shop verkauft wird.
Allerdings hat Kingsbarns den Vorteil, dass es Besitz der traditionsreichen
Familie Wemyss ist, die bereits eine weite Range von Whiskies im Sortiment hat.
Darunter die drei bereits preisgekürten Blended Malts (Vatted Malts, nicht mit
„Blended Scotch“ zu verwechseln dem Grain Whisky zugesetzt wird) „Spice King“,
„The Hive“ und „Peat Chimney“. Außerdem sind eine Reihe unabhängige Single Cask
Abfüllungen, mit kompletten Informationen zu Alter, Brennerei und dergleichen
verfügbar. Kingsbarns muss sich hier also nicht verstecken. Die eigenen Weine,
ebenfalls im Besitz der Familie werden hier gleich mit feilgeboten.
In Sachen „Getränken“ macht
hier Eden Mill ganz knapp das Rennen. Trotz meiner Abneigung gegenüber Gin bin
ich doch sehr gespannt auf die Ergebnisse der unterschiedlichen New Spirits.
Wie und ob wir Deutschen jedoch unsere Hände an eine Abfüllung von Eden Mill
bekommen, steht noch in den Sternen. Betrachten wir nur den Whisky, hat Kingsbarns klar die Nase vorn. Hier können die Gäste schon heute ausgiebig Whisky
schnuppern und schlürfen.
Auf bald und slainte mhath!
Euer Leon
Quellen:
- Mein Notizbuch, meine lückenhafte Erinnerung, mein Smartphone
- https://www.annandaledistillery.com
- http://edenmill.com
- http://www.kingsbarnsdistillery.com